Wenn Sie Content ins Internet reinpacken, dann richtig!

Content ist das, was im Internet drin ist. Egal ob Sie wissen wollen, wie man die Thujahecke schneidet, oder ob Sie eine Werkzeugmaschine steuern möchten, aber nur in C++ programmieren können: Im Internet findet sich für jedes Problem eine Lösung. Leute machen sich beispielsweise die Mühe, einen Youtube-Film darüber zu drehen, wie man die Birne im Garraum eines Neff-Küchenherds wechseln kann. Sie können den Film angucken (>238.000 Aufrufe) oder ich sag’s Ihnen in zwei Sekunden: Das fettige Schutzglas kriegen sie am besten abgeschraubt, wenn Sie zur Verbesserung des Grips einen Gummihandschuh überziehen. … von Holger Siegel.

Die Suchmaschine hat sich in den vergangenen Jahren zum digitalen Trüffelschwein entwickelt. Für jedes noch so spitze Problem findet man eine Spitzenlösung. Googles Geschäftsmodell hält sich nicht mehr mit Suchen auf – Finden ist das neue Suchen. Die dazu passende Strategie der anderen Seite, also der Seite des Themen-Anbieters, heißt (Vorsicht Bullshit Bingo!) „Content Marketing“. Ich sage dann immer: „Das haben wir schon gemacht, bevor es das Internet gab.“ Irritierte Blicke, fahrig gereckter Zeigefinger: „Sie haben Content Marketing erfunden? Im Ernst?“ Nein! Früher haben wir Journalismus dazu gesagt. Doch dazu später…

Erfunden wurde Content Marketing, als die Search-Engine-Optimizer (SEO), also Suchmaschinen-Spezialisten, feststellen mussten, dass Google seinen Algorithmus verfeinert hat. Wunderbare und vielverlinkte Seiten von BMW mit browsergroßen Bildern schnittiger Coupés („Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“) stürzten über Nacht ins Bodenlose. Merke: Ein Bild sagt nur etwas, wenn es eine Geschichte erzählt. Noch schlimmer für Bilder: Google ist eine textbasierte Suchmaschine, der Name des Mutterkonzerns, Alphabet, deutet darauf hin. Also lässt sich Text durch nichts ersetzen – in seriösen Branchen wenigstens.

Die Suchmaschine redet über den Algorithmus noch viel weniger als Coca Cola über seine Rezeptur – und den Spezialisten bleibt nur, zu analysieren, was sich in den Ergebnissen darstellt. In der Anfangszeit wertete Google die Verlinkungen auf eine Seite. Ganz viele Links ließ Google annehmen, dass dort etwas besonders Wertvolles stünde. Heute misst Google unter anderem auch die Zufriedenheit der Besucher der Seite. Bleiben die lange? Laden sie sich etwas herunter? Kommen sie gar wieder? Dann deutet alles darauf hin, dass auf der Seite wertvolle und einzigartige Inhalte geboten werden. Nach oben damit, direkt unter die bezahlte Werbung! Dort sind die besten Plätze, dort und auf die erste Seite wollen alle hin, weil man dort am besten gefunden wird.

Also ist Content Marketing eine Möglichkeit, wenn nicht d i e Möglichkeit, auf dem organischen Teil der Suchmaschinenleiter nach oben zu klettern. Zur Erinnerung: Der anorganische Weg über Adwords kostet Geld und davon hat Google schon genug. Bleibt die Frage zu klären: Was ist guter Content – bevor wir uns der Frage widmen, ob es sich für Sie lohnt, Content teuer und aufwendig zu erzeugen.

Die Frage nach dem guten Content knüpft an die klassische Marketingphilosophie an. „Find a need and fill it“ lernen die Studierenden im Erstsemester und fühlen dabei: Wir sind die Guten! Wer den Kühlschrank dem Eskimo aufschwatzt, ist kein guter Marketer, höchstens ein gerissener Verkäufer mit Inuit-Sprachkenntnissen. Gutes Marketing ist nach Altmeister Philip Kotler optimierter Kundennutzen („best value for customers dollar“). Wenn Sie das im Hinterkopf haben, tun Sie sich auch mit dem Content und dem Gewissen leichter.

Content Marketing generiert gute, wertvolle Inhalte. Was gute, wertvolle Inhalte sind, kann man in der klassischen Journalistenausbildung lernen. Der Journalist denkt in den Interessens-Kategorien seines Lesers – und zwar in allen Kommunikationskanälen und Formaten. Seine Leitwährung ist die Story: in Text, Foto, Film oder als Hörbeitrag. Als Medienkonsument wissen Sie ja, was die Journalisten Ihnen so auftischen – ein breites Spektrum zwischen Fakten und Boulevard. Grundregel: Was dort funktioniert, funktioniert auch beim Content Marketing. Und noch einen obendrauf: Sie brauchen einen Sinn für Storys. Ich mag das Wort Story Telling nicht, weil ich damit immer den Vertreter verbinde, der sich bei der Chefsekretärin mit einem schlüpfrigen Witz verabschiedet. Einer, von dem man im Bayerischen sagen würde, „er erzählt G’schichtln“. Heute weiß man, dass die hohe Wirksamkeit der Story beim Einloggen ins Gedächtnis und in beide Bewusstseine (unter und ober) daher rührt, dass das für die Wahrnehmung der Wirklichkeit sehr wichtige limbische System auf diese Form der Informationsaufnahme optimiert ist. Die Story ist die optimale Verpackung für die Botschaft – auch in der Marketingkommunikation.

Ergo: Content Marketing = Journalismus = Story based Marketing

Jetzt aber noch zum Marketing-Korsett, in das wir die Idee vom guten Content einbinden möchten. Da gibt es zunächst einmal die Sichtweise der SEO-Spezialisten, die Ihnen die suchenden Interessenten auf die Homepage bringen (sollen).

Ziel ist, dass Ihre Story gefunden und für gut befunden wird und die Google-Leiter nach oben klettert. Mit Content ziehen Sie die Surfer auf Ihre Seite. Dieses erste Ziel ist, was Ihnen SEO-Agenturen als Maß aller Dinge verkaufen. Notfalls über ein bezahltes Werbe-Engagement bei Google Adwords (sic! Vorsicht! Offenbarungseid! Das wäre doch, wie wenn Ihnen die PR-Agentur ein Anzeigenkonzept verkaufte!). Noch schlimmer: Während im organischen (kostenlosen) Teil der Suchmaschine die Wahrscheinlichkeit für den Nutzer hoch ist, guten Content zu erlangen, landet man im verkauften Adwords-Bereich häufig in den Low-Benefit-Areas des Internet.

Zurück zur organisch generierten Nachfrage: Das Content Marketing „Typ Pull“ saugt Ihren potenziellen Kunden in den Laden. Gut für den, der auf seiner Internetseite wirklich einen Laden hat. Der kann dann den Sack zumachen. Bei allen anderen klafft eine Lücke zwischen Verkaufsinteressent, der jetzt auf der Matte steht, und dem Point of Sales, irgendwo in der realen Welt. Manchmal liegen lange Vertriebswege zwischen Internetseite und Realwirtschaft, zwischen Kundeninteresse und Geschäftsabschluss. Oder wie sagt der SEO-Spezialist: Ich kann Ihnen die Leute nur anschleppen, verkaufen müssen Sie dann schon noch selber.

Interessant dabei: Während die weitaus meisten Suchanfragen unspezifisch und zuweilen beliebig daherkommen, schafft es die Suchmaschine heute auch, die präzisen höherwertigen Suchanfragen gut zu bedienen. Hier bieten sich ungeahnte Chancen für die spitzen (im Gegensatz zu den breiten) Suchen in B2B-Märkten.

Content Marketing kann weit mehr als Kunden oder Interessenten anlocken und als Leads (digitale Kontakte) generieren. Aber dafür muss man nicht nur die Suchmaschine und die Interessen und Bedürfnisse des Kunden verstehen, sondern auch mit den Alleinstellungsmerkmalen der Lösung umgehen können, um sie mit der Nachfrage in Deckung zu bringen. Es geht um die vielfach ungenutzte Chance, mit Content Marketing den Kunden auszubilden.

Ausbildung? Ja will er das überhaupt?

Ja, selbstverständlich! In B2B genauso wie in B2C! Sie kennen das vielleicht: Sie haben sich 50 Jahre lang nur dann für Wohnmobile interessiert, wenn diese Schaukeln ihren Fahrstreifen blockiert haben. Aber jetzt hat Ihre Lebensgefährtin die Idee, in so einer Kiste herumkutschierend den Lebensabend „on the road“ zu verbringen. Plötzlich ist die Welt voller Wohnmobile (Jargon: WoMo) und Sie bilden sich in nächtelangen Sitzungen vor dem Bildschirm zum Wohnmobil-Connaisseur aus, der nach einem halben Jahr Autodidakten-Dasein jedem WoMo-Verkaufsprofi mit seinen Fragen die Schweißperlen auf die Stirn treiben kann.

Hier liegt die ganz große und vernachlässigte Chance des Content Marketing. Wenn Sie den Kunden mit dieser Ausbildung richtig herum auf Ihr Gleis setzen und ihm einen Schubs geben, wird er automatisch zu Ihnen fahren (Push-Prinzip!).

Ihre Lehrsätze, mit denen Sie ihn ausbilden, sind dann seine Paradigmen bei der Kauforientierung und Kaufentscheidung. Und wenn er bei nächtelangen Surf-Touren gelernt hat, dass ein elektrisches Hubbett im Alkoven ab 50 alternativlos ist, weil spätestens nach dem nächsten Bandscheibendesaster das Klettern zur Tortur wird, dann können alle, die diesen Lifter nicht haben, erstmal einpacken.

Zusammenfassung für Hochbeschäftigte:
Content Marketing unterstützt als Spielart des Journalismus nicht nur die Funktion des Findens – und wird deshalb von der Suchmaschine belohnt und gefördert. Content Marketing sollte vor allem auf der Seite dazu dienen, den Kunden auszubilden. Das spart Beratungsaufwand in der Praxis, platziert Alleinstellungsmerkmale und hält uns – geschickt gemacht – Wettbewerb vom Hals.