Advertorial ist ein Kunstwort – eine Zusammenziehung aus Advertising (gleich Werbung) und Editorial (also redaktionellem Inhalt). Unser Artikel erklärt dieses PR- und Marketinginstrument und gibt Ihnen Tipps für die richtige Nutzung.

Journalisten tun sich nicht leicht mit Werbung im redaktionellen Teil ihres Mediums. Selbst das Presserecht hat Vorbehalte dagegen (sic!). Auf der anderen Seite – bei Anzeigenkunden und PR-Abteilungen – ist das Verlangen danach groß. Verlage haben deshalb eine Werbeform und den Schönsprech-Begriff „Advertorial“ erfunden – noch hipper ist das Wort vom „native Advertising“, meint aber das gleiche. Früher tauchten Advertorials vornehmlich in B- und C-Medien auf; angesichts der Medienkrise findet man sie mittlerweile auch in Qualitätsmedien.

Die Zusammenziehung aus „Advertising“ für Werbung und „Editorial“ für redaktionelle Inhalte steht für eine Anzeigenvariante, die getarnt im redaktionellen Kleid daherkommt. Erst auf den zweiten Blick und am liebsten gar nicht soll der Leser erkennen, dass hier nicht redaktionelle Kompetenz aufgefahren wird, sondern Werbung.

Mit diesem Zwitter sind weder die Redaktion noch die Verlage recht glücklich – und wenn man genau hinschaut, gilt das auch für die Inserenten, die auf diese Werbeform setzen. Denn häufig bekommen sie nicht das, was sie eigentlich wollen. Und daran sind sie häufig selbst schuld.

Aber der Reihe nach: Warum ziehen viele Werbetreibende den redaktionellen Teil eines Mediums der Anzeige vor? Redaktionelle Inhalte gelten bei Mediennutzern als glaubwürdig und neutral – im Gegensatz zur Anzeigenwerbung. Die Redaktion spielt die Rolle des kompetenten und  freundlichen Empfehlers, der ein Produkt, eine Dienstleistung oder Institution würdigt – in Wort und Bild. PR Agenturen haben sich darauf spezialisiert, den Journalisten solche Inhalte mundgerecht zu servieren – und der Journalist entscheidet für und im Sinne seiner Leser, ob er Inhalte transportiert oder nicht. Das einzige Kriterium für Berichterstattung ist, ob die Botschaft für Mediennutzer interessant und relevant ist.

Wo klassische PR als Dienstleistung am Redakteur an ihre Grenzen stößt, wird zuweilen der Ruf nach dem Advertorial laut, um eine Botschaft unter die Zielgruppe zu bringen. Viele Verlage sind hier dazu bereit, ihre redaktionelle Glaubwürdigkeit auf eine Probe zu stellen: Auch wenn sich viele Redaktionen ein Mitspracherecht vorbehalten; auch wenn das Advertorial presserechtlich zwingend als „Werbung“ oder „Promotion“ gekennzeichnet werden muss – Verlage wissen, dass sie hier an ihre Geschäftsgrundlage, ihrer Glaubwürdigkeit, rühren. Aber: der gebuchte Raum bringt natürlich Umsatz, die Preise orientieren sich an denen einer ähnlich großen Anzeige. Darauf will und kann in diesen Zeiten fast niemand in der Medienwelt verzichten.

Jetzt kommt der Auftraggeber ins Spiel und die alte Regel greift: Wer zahlt, bestimmt. Das mag für Anzeigenwerbung gelten, was vielfach mit schlechter Werbung eindrucksvoll unterstrichen wird. Für das Advertorial gilt es nicht. Denn zu viel Enthusiasmus verspielt genau die Glaubwürdigkeit, die hier eigentlich geschaffen werden soll.

Je enger sich die Botschaft an den Ansprüchen des Journalismus und der Leser orientiert, desto besser. Werbesprech hat hier nichts zu suchen. Verkaufstrainer-Vokabeln sollte man vermeiden. Neben schlechten PR-Beratern sind vor allem allwissende Verkaufstrainer dafür verantwortlich, dass Manager heute am Krankheitsbild des verbogenen Sprachgefühls leiden. Seuchenhaft um sich greifende Wortschöpfungen wie Preisanpassung oder Minuswachstum sind nicht besonders clever, sondern zeugen von überheblicher Verdummungsmentalität. Euphemismen schaffen es regelmäßig auf die Spitzenplätze der Aktion „Unwort des Jahres“ – was kaum etwas daran ändert, dass das Management bei Entlassungen lieber davon geschrieben haben will, dass Mitarbeiter freigesetzt werden sollen. Überhaupt: In der guten Welt der Wirtschaft gibt es nur noch Herausforderungen – keine Probleme mehr. Und Produkte werden mit einer Überarbeitung nicht einfach besser – sondern immer noch besser.

Die Hausjuristen und die Hofhunde des Corporate Designs geben dem gut gemeinten Advertorial dann häufig noch den Rest: Kleine Marken-® müssen an den Firmennamen angeklebt und VERSAL- oder S p e r r -Orgien in Produkt- und Markenbezeichnungen gefeiert werden, wo es nur geht – bis der letzte Rest journalistischer Glaubwürdigkeit in einem Advertorial verspielt ist. Oder trauen Sie einem Medium, das solche Kinkerlitzchen unreflektiert wiedergibt?

Die Frage sei erlaubt: Ja taugt denn dann ein Advertorial überhaupt?

Die Antwort: Ja – wenn es gut und journalistisch gemacht ist. Nicht nur die Form, vor allem die Inhalte sollten sich an dem Medium orientieren, für das es entwickelt wurde. Letztlich sollte auch ein Advertorial dem Medienkonsumenten Information und Nutzen bringen. Und letztlich sollte sich auch die Größe des Advertorials an der Wichtigkeit des Themas orientieren: Nicht nur weil getretener Quark bekanntlich breit und nicht stark wird, sondern weil auch eine Redaktion sich beim Umfang der Berichterstattung immer auch an der Wichtigkeit des Themas orientieren sollte.

7 Tipps für bessere Advertorials

  1. Erst wenn Sie das redaktionelle Konzept und die Zielgruppe des Mediums verstanden haben, können Sie ein passendes Advertorial platzieren.
  2. Schreiben Sie wie ein Journalist, nicht wie ein Werbetexter.
  3. Orientieren Sie sich mit den Inhalten ausschließlich am Nutzen für den Leser.
  4. Wählen Sie Bilder aus, die redaktionellen Ansprüchen genügen – keine Werbemotive.
  5. Machen Sie sich die Mühe, komplexe Informationen redaktionell aufzubereiten: Infografiken oder Tabellen eignen sich sehr gut dazu.
  6. Wenn die Redaktion das Advertorial verfassen soll, bieten Sie ihr neben einem Briefing einen Advertorial-Baukasten. Das ist eine Sammlung von Bild- und Textmaterial sowie geeigneten Zitaten, aus der sich die Redaktion bedienen kann.
  7. Sprechen Sie Ihren Advertorial-Entwurf immer mit der Redaktion durch.